
Der 3. Oktober ist der Tag der Deutschen Einheit. In der DDR hatten wir fast den gleichen Lohn für unterschiedlichste Tätigkeiten, in den Neubauten die gleichen Möbel, den gleichen Mangel an Konsumgütern, die begrenzten Urlaubsmöglichkeiten, eine einheitliche Presse und eine über alles stehende Einheitspartei. Vielleicht waren wir stolz auf unsere Besonderheiten, die "Fischköppe" auf ihre Gelassenheit, die "Berliner" auf ihre große Schnauze und die "Sachsen" auf ihre Fröhlichkeit, die „Thüringer“ auf ihre Rostbratwurst oder Klöße usw. Gut waren die Strukturen der damaligen Polikliniken oder die flächendeckenden Kinderbetreuungsplätze. Uns Ostdeutsche vereinen die gemeinsamen Erfahrungen des Umbruchs.
Wollen wir also Einheit in Vielfalt bei gleichen Grundrechten, gleiche Chancen für alle? Die Chancen bleiben unterschiedlich. Sie hängen ab vom Wohnort, Land oder Stadt, von der Herkunft, Ost oder West, bürgerlich oder bäuerlich, deutsch seit Generationen oder mit Migrationshintergrund.
Ich hatte Glück, ich war Lehrer, konnte nach 1990 weiter in meinem Beruf arbeiten, wurde Schulleiter, konnte als Gemeindevertreter von 1990 bis 2004 unseren Ort mitgestalten.
Andere erfuhren große Ungerechtigkeiten. Sie verloren ihre Arbeit, mussten ihr eigen geglaubtes Haus wegen Rückübertragung verlassen, die Kinder zogen weit weg.
Der Staat versuchte einen Ausgleich zu schaffen durch den Aufbau Ost, durch den Länderfinanzausgleich, ABM-Maßnahmen, Umschulungen usw. Vieles ist wirklich gut gelungen. Berlin wurde unsere Hauptstadt. Eine neue gemeinsam erarbeitete Verfassung oder Hymne gibt es bis heute nicht. Das hätte unseren Gemeinschaftssinn befördern können. Verletzungen und Ungerechtigkeiten sind geblieben.
Wir leben in einem Land, in der Bundesrepublik Deutschland. Niemand wird erschossen, wenn er von Ost- nach Westberlin, von Thüringen nach Bayern oder ins Ausland will.
Ich lebe in einem Deutschland, das in den Grenzen nach 1945 wieder vereint ist. Soziale Marktwirtschaft, Rechtsstaatlichkeit, Presse- und Meinungsfreiheit sind Realität. Diese Realität muss ständig verbessert, angepasst und verteidigt werden, durch uns. Die Herausforderungen sind groß.
Am 3. Oktober wird gefeiert. Danach beginnt wieder die tägliche politische Arbeit.
Übrigens: Die Zusammenarbeit zwischen Ost und West praktizierte unser Ortsverein bereits vor der Wiedervereinigung.
SPD Mitglieder in Annweiler in Rheinland-Pfalz. Beitrag im Pfälzer Tageblatt vom 21.04.1990.
Bernhard Sept
Vorsitzender Ortsverein Fredersdorf-Vogelsdorf
